Erntedank

Am Sonntag, dem 2. Oktober, ist Erntedankfest. Ein wirklich schöner Brauch, an dem eines unserer wesentlichen Lebensbereiche gedacht wird. Nach einem Frühjahr mit säen, pflanzen und pflegen und einem langen und heißen Sommer ist es endlich soweit: die Ernte ist eingefahren und der Winter kann kommen. Es ist genug zu essen da, und wir danken dem Herrgott dafür, dass er die Welt so eingerichtet hat wie sie ist und dass wir so gut in ihr leben können. So könnten wir es doch auch beibehalten und ein Jahr später wieder unsere Dankbarkeit bezeugen.
Aber halt: genügt das denn? Ist es nicht eigentlich ziemlich schräg, Tag für Tag riesige fruchtbare Flächen zu zerstören (56 ha/Tag allein in Deutschland) für neue Verkehrswege, für Logistikzentren, für Flughäfen, für neue Siedlungen? Tag für Tag mehr CO2 auszustoßen, so dass die Erde immer mehr strapaziert wird und sich gar nicht mehr erholen kann (der Erschöpfungstag für Deutschland, an dem die Ressourcen, die innerhalb eines Jahres verbraucht werden und von der Erde nicht mehr regeneriert werden können, war in diesem Jahr der 4. Mai. Eigentlich müsste es der 31. Dezember sein.) Wird damit nicht auch der Klimawandel angeheizt, der zu Dürren und Überschwemmungen führt und so Ernten gefährdet?
Wir leben also fast acht Monate im Jahr auf Pump. Auf Pump von Menschen in anderen Regionen der Erde, die nicht so viel für sich in Anspruch nehmen können wie wir. Und auf Pump unserer Nachkommen, unserer Kinder und unserer Enkelkinder. Zurückzahlen können wir das niemals, wir überlassen das Problem einfach den kommenden Generationen.
Es ist gut und richtig, dankbar zu sein, dankbar dafür, dass dieses Jahr wieder eine Ernte eingefahren werden konnte, bei der immerhin bei uns keiner wirklich Hunger leiden muss. Das entbindet aber nicht davon, Verantwortung zu übernehmen. Verantwortung dafür, dass wir uns so aufstellen, dass die Erde sich nicht zu stark erhitzt, dass die Artenvielfalt erhalten bleibt, dass keine Wälder mehr abgeholzt werden und dass keine Menschen in anderen Ländern von ihren Äckern und Weiden vertrieben werden, damit für die reichen Nationen Lebensmittel produziert werden. Und dafür, dass die auf der Erde für alle Menschen ausreichenden Lebensmittel gerecht verteilt werden. Alle die Dinge eben, die ein Überleben der Menschheit bis heute gesichert haben.
Oder wollen wir hier Gott auf die Probe stellen, ob er uns rettet, wenn wir in den Abgrund springen?
Jeder ist hier gefragt, natürlich besonders diejenigen Menschen, die viel bewirken können, aber auch jeder einzelne nach seinen Möglichkeiten. Damit der schöne Feiertag Erntedankfest auch in der Zukunft froh und voller Zuversicht gefeiert werden kann. Text: Dr. Konstantin Becker